#Compliance Stories #9: Der Theranos-Fall

09/14/2025
Strafrecht | Compliance | Start-ups

Der Theranos-Skandal zählt zu den gravierendsten Betrugsfällen in der Geschichte des Silicon Valley und der Biotechnologiebranche. Er beleuchtet die Gefahren…

Der Theranos-Skandal zählt zu den gravierendsten Betrugsfällen in der Geschichte des Silicon Valley und der Biotechnologiebranche. Er beleuchtet die Gefahren von übermäßigem Hype, fehlender Transparenz und unzureichender regulatorischer Kontrolle in der Startup-Welt.

Gründung und Aufstieg von Theranos

Theranos wurde 2003 von der damals 19-jährigen Elizabeth Holmes gegründet, die ihr Studium an der Stanford University abbrach, um ihre Vision einer Revolution im Bereich der Blutdiagnostik zu verwirklichen. Das Unternehmen versprach, mit minimalen Blutmengen – oft nur ein Tropfen – eine Vielzahl von Tests schnell, kostengünstig und schmerzfrei durchführen zu können. Dieses Versprechen zog bedeutende Investoren an, darunter prominente Persönlichkeiten wie Rupert Murdoch und die Familie Walton, wodurch Theranos in Spitzenzeiten mit bis zu 9 Milliarden US-Dollar bewertet wurde.

Technologische Versprechen und Realität

Kern der Innovation von Theranos war das Gerät namens “Edison”, das angeblich in der Lage sein sollte, über 200 verschiedene Tests mit nur wenigen Tropfen Blut durchzuführen. Diese Technologie hätte das Potenzial gehabt, die medizinische Diagnostik grundlegend zu verändern, insbesondere in Bezug auf Zugänglichkeit und Patientenkomfort. Allerdings stellte sich später heraus, dass die Technologie nicht funktionierte und die Ergebnisse unzuverlässig waren. Interne Berichte und Whistleblower enthüllten, dass Theranos häufig auf herkömmliche Labormaschinen zurückgriff, um Tests durchzuführen, und dabei die geringe Blutmenge verdünnte, was die Genauigkeit weiter beeinträchtigte.

Mediale Aufmerksamkeit und erste Zweifel

Theranos und Elizabeth Holmes erhielten umfangreiche mediale Aufmerksamkeit. Holmes wurde als visionäre Unternehmerin gefeiert und zierte die Titelseiten renommierter Magazine. Dennoch begannen ab 2015 investigative Journalisten, insbesondere John Carreyrou vom Wall Street Journal, die Behauptungen des Unternehmens zu hinterfragen. Carreyrou veröffentlichte eine Serie von Artikeln, die aufdeckten, dass die Technologie von Theranos erhebliche Mängel aufwies und das Unternehmen möglicherweise Patienten und Investoren täuschte.

Regulatorische Untersuchungen und rechtliche Konsequenzen

Die Enthüllungen führten zu Untersuchungen durch verschiedene Aufsichtsbehörden, darunter die US-amerikanische Gesundheitsbehörde Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) und die Securities and Exchange Commission (SEC). 2018 erhob die SEC Anklage gegen Theranos, Elizabeth Holmes und den ehemaligen Präsidenten Ramesh “Sunny” Balwani wegen Betrugs. Holmes und Balwani wurden beschuldigt, Investoren um Hunderte Millionen Dollar betrogen zu haben, indem sie falsche oder übertriebene Behauptungen über die Genauigkeit der Bluttesttechnologie des Unternehmens aufstellten.

Im Januar 2022 wurde Elizabeth Holmes in vier von elf Anklagepunkten, darunter Drahtbetrug und Verschwörung zum Drahtbetrug, für schuldig befunden. Im November 2022 wurde sie zu einer Haftstrafe von über 11 Jahren verurteilt. Sunny Balwani, der ehemalige Präsident von Theranos, wurde in einem separaten Verfahren in allen zwölf Anklagepunkten für schuldig befunden und im Dezember 2022 zu fast 13 Jahren Haft verurteilt.

Der Theranos-Skandal hatte weitreichende Auswirkungen auf die Biotechnologiebranche und das Vertrauen der Öffentlichkeit in medizinische Innovationen. Investoren erlitten erhebliche finanzielle Verluste, und das Vertrauen in Startups im Gesundheitssektor wurde erschüttert. Der Fall unterstrich die Notwendigkeit strenger Due-Diligence-Prüfungen und die Bedeutung regulatorischer Aufsicht, um sicherzustellen, dass technologische Behauptungen durch wissenschaftliche Beweise gestützt werden.

Lehren aus dem Theranos-Skandal

Der Fall Theranos dient als Mahnung für Unternehmer, Investoren und Aufsichtsbehörden gleichermaßen. Er betont die Bedeutung von Transparenz, ethischer Unternehmensführung und der Notwendigkeit, technologische Behauptungen rigoros zu überprüfen. Für Investoren zeigt der Skandal die Risiken auf, die mit dem blinden Vertrauen in charismatische Gründer und unbewiesene Technologien verbunden sind. Für die Biotechnologiebranche insgesamt unterstreicht er die Notwendigkeit, wissenschaftliche Integrität und Patientensicherheit stets in den Vordergrund zu stellen.

Im Juni 2024 legte Elizabeth Holmes Berufung gegen ihre Verurteilung ein, die von einem Bundesberufungsgericht in San Francisco geprüft wurde. Holmes, die derzeit eine 11-jährige Haftstrafe in einem texanischen Gefängnis verbüßt, argumentierte, dass sie fest an die Fähigkeiten der Technologie von Theranos glaubte. Die Richter zeigten sich jedoch zurückhaltend, das Urteil der Jury aufzuheben. Ein Urteil über die Berufung steht noch aus.

Der Theranos-Skandal bleibt ein prägendes Beispiel für die Gefahren von Überhype und mangelnder Transparenz in der Technologiebranche und betont die Notwendigkeit strenger regulatorischer Kontrollen und ethischer Geschäftspraktiken.

Weitere Blogartikel

Sie benötigen rechtliche Unterstützung?

Gerne stehe ich Ihnen bei rechtlichen Fragestellungen zur Seite. Bitte kontaktieren Sie mich telefonisch oder via Kontaktformular um ein kostenloses Erstgespräch zu vereinbaren. 

Dr. LUKAS STAFFLER, LL.M.

@lukasstaffler

Kontaktformular