Balance zwischen Meinungsfreiheit und beruflicher Verantwortung für Anwältinnen und Anwälte

01/22/2025
Strafrecht
Meinungsfreiheit vs. Anwaltsverantwortung: EGMR-Fälle zeigen, wie Kritik, Humor und Ethik im Einklang mit Artikel 10 EMRK stehen können.

Die Frage, wie weit Anwältinnen und Anwälte ihre Kritik äußern dürfen, ohne gegen professionelle und ethische Grenzen zu verstoßen, wird im Informationszeitalter zunehmend relevant. Ein Blick auf aktuelle Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), zeigt, wie die Meinungsfreiheit mit der Verantwortung als Akteur der Justiz in Einklang gebracht werden kann.

Welche Rechte schützen die Meinungsfreiheit von Anwältinnen und Anwälten?

Die Meinungsfreiheit gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) schützt auch juristische Fachpersonen. Dies umfasst sowohl Äußerungen in Verfahren als auch öffentliche und digitale Statements. Dennoch muss die Kritik sachlich bleiben und darf das Vertrauen in die Justiz nicht untergraben. So entschied der EGMR im Fall Lutgen gegen Luxemburg (2024), dass Kritik an der Untätigkeit eines Richters zulässig war, da sie sich auf Verfahrensmängel bezog, ohne die Integrität der Person anzugreifen.

Sind Humor und Sarkasmus in der juristischen Argumentation erlaubt?

Anwältinnen und Anwälte nutzen gelegentlich rhetorische Mittel wie Humor oder Sarkasmus, um ihre Argumente zu unterstreichen. Im Fall Simic gegen Bosnien und Herzegowina (2022) wurde ein humorvoller Vergleich herangezogen, um eine Entscheidung zu kritisieren. Der EGMR entschied, dass dies im Kontext einer juristischen Argumentation zulässig war, da es keine persönliche Diffamierung darstellte. Diese Entscheidung zeigt, dass kreative Mittel erlaubt sind, solange sie sich auf die Sache beziehen und nicht auf Einzelpersonen.

Wo liegen die Grenzen der Kritik in Gerichtsverfahren?

Kritik im Rahmen von Gerichtsverfahren muss mit professionellem Anstand erfolgen. Der Schweizer Bundesgerichtshof hat beispielsweise Äußerungen wie „Cowboys“ oder „immonde“ als unzulässig eingestuft, da sie die Würde der Justiz verletzen. Selbst wenn Kritik in der Sache gerechtfertigt ist, muss die Wortwahl respektvoll und angemessen bleiben.

Wie verhält es sich mit Meinungsfreiheit in Blogs und sozialen Medien?

Mit der digitalen Präsenz wächst die Verantwortung für Anwältinnen und Anwälte, die Grenzen ihrer Meinungsfreiheit zu respektieren. In einem Schweizer Fall wurde ein Blogbeitrag kritisiert, der pauschal alle kantonalen Justizbehörden herabwürdigte. Die Gerichtsbarkeit entschied, dass solche undifferenzierten Aussagen, die nicht durch Fakten belegt waren, ethische Grenzen überschritten. Besonders in sozialen Medien ist der Fokus auf Nachvollziehbarkeit und Objektivität entscheidend.

Meinungsfreiheit mit Verantwortung nutzen

Anwältinnen und Anwälte genießen eine weitreichende Meinungsfreiheit, doch als Vertreterinnen und Vertreter der Justiz tragen sie auch eine besondere Verantwortung. Übertriebene Rhetorik kann das Vertrauen in das Rechtssystem gefährden und die eigene Glaubwürdigkeit untergraben. Eine bewusste und maßvolle Nutzung dieser Freiheit ist daher unerlässlich, insbesondere in einer zunehmend digitalisierten Welt.

Anwältinnen und Anwälte können aus diesen Fällen folgende Schlüsse ziehen:

  1. Faktenbasiert argumentieren: Kritik sollte sich auf spezifische, belegbare Verfahrensmängel oder Missstände stützen.
  2. Den Ton beachten: Humor oder Sarkasmus dürfen nicht in persönliche Angriffe münden.
  3. Mäßigung wahren: Überspitzte oder beleidigende Äußerungen schaden der Glaubwürdigkeit.
  4. Digitale Plattformen verantwortungsvoll nutzen: Online-Äußerungen müssen den berufsethischen Standards entsprechen.

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