Was ist eine Diversion?
Gerade wenn die Fakten evident sind und letztlich alles auf eine Verantwortung des Täters rausläuft, ist eine Diversion als Strategie im Strafverfahren möglicherweise zweckmäßig. Diversion beschreibt eine alternative Vorgehensweise im Strafprozess. Anstelle einer Verurteilung mit anschließender Strafe kann das Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen eingestellt werden. Der Beschuldigte akzeptiert freiwillig Maßnahmen wie eine Geldbuße, gemeinnützige Arbeit oder die Teilnahme an Beratungsprogrammen. Dadurch wird das Strafverfahren beendet, ohne dass eine Strafe im klassischen Sinne verhängt wird.
Die Diversion spielt eine wichtige Rolle in Österreichs Strafrechtssystem, weil sie einerseits die Gerichte entlastet und andererseits dazu beiträgt, dass Ersttäter oder Personen, die leichte Vergehen begangen haben, nicht unnötig stigmatisiert werden. Stattdessen wird der Fokus auf die Wiedergutmachung des Schadens und die Vermeidung von Wiederholungsfällen gelegt. So wird das Strafverfahren flexibler und an die Umstände des Einzelfalls angepasst.
Wie funktioniert die Diversion?
Diversion ist eine Alternative zum herkömmlichen Strafverfahren, insbesondere eine alternative Erledigungsform. Normalerweise folgt auf die Ermittlungen und eine mögliche Anklage eine Gerichtsverhandlung, die zu einem Urteil und einer Strafe führt. Bei der Diversion wird dieser Weg abgekürzt. Der Beschuldigte muss sich nicht einem öffentlichen Prozess stellen, sondern akzeptiert freiwillig eine Maßnahme (Probezeit, Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit), die das Verfahren beendet, ohne dass es zu einer Verurteilung kommt.
Vom Ablauf her funktioniert die Diversion wie folgt: Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen hat, kann sie dem Beschuldigten eine Diversion anbieten, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Alternative kann auch noch während einer Gerichtsverhandlung ins Spiel kommen – dies kommt praktisch häufig vor! Wichtig ist, dass der Beschuldigte bereit ist, die vorgeschlagenen Maßnahmen zu akzeptieren, wie zum Beispiel die Zahlung einer Geldbuße oder gemeinnützige Arbeit. Ist das der Fall und erfüllt der Beschuldigte die Auflagen, wird das Verfahren eingestellt. Es kommt zu keiner Verurteilung, und der Fall ist damit abgeschlossen.
Ein großer Vorteil der Diversion ist, dass sie schneller und unbürokratischer ist als ein reguläres Strafverfahren. Der Beschuldigte kann das Verfahren zügig hinter sich lassen, und auch die Gerichte werden entlastet. Statt einer langwierigen Gerichtsverhandlung findet eine einvernehmliche Lösung statt, bei der sowohl die Interessen des Beschuldigten als auch die des Staates und möglicher Opfer berücksichtigt werden.
Voraussetzungen
Diversion wird in Österreich vor allem bei geringfügigen Straftaten angewendet (Bagatell-Kriminalität). Typische Beispiele sind leichte Körperverletzungen oder kleinere Diebstähle. Zudem wird die Diversion bevorzugt bei Ersttätern angeboten – also Personen, die zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Wer bereits mehrfach verurteilt wurde oder eine schwere Straftat begangen hat, kann in der Regel nicht von dieser Alternative profitieren.
Rechtlich gesprochen ist für die Diversion das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip. Das bedeutet, dass der Staat nur dann eine Strafe verhängt, wenn es keine andere, mildere Möglichkeit gibt, das Fehlverhalten zu ahnden. Bei geringfügigen Straftaten wird daher geprüft, ob die Verhängung einer Freiheits- oder Geldstrafe wirklich notwendig ist. Ist das nicht der Fall, kann eben die Diversion in Betracht gezogen werden, um eine unnötige Stigmatisierung zu vermeiden.
Der wesentlichste Punkt ist, dass der Beschuldigte Verantwortung für seine Tat übernimmt – dass er sie einräumt und sich reumütig zeigt.
Ein weiterer entscheidender Punkt bei der Diversion ist, dass der Beschuldigte den angebotenen Maßnahmen freiwillig zustimmt. Es handelt sich dabei um keinen Zwang. Der Beschuldigte muss Maßnahmen wie die Zahlung einer Geldbuße oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen freiwillig akzeptieren. Sollte er das ablehnen, kann das reguläre Strafverfahren fortgesetzt werden. Diese Freiwilligkeit macht die Diversion zu einer einvernehmlichen Lösung, bei der der Beschuldigte Verantwortung übernimmt, ohne formell verurteilt zu werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Diversion ist die Wiedergutmachung. Der Beschuldigte wird dazu angehalten, den durch die Straftat entstandenen Schaden – soweit möglich – wieder gutzumachen. Dies kann etwa durch Schadensersatzzahlungen oder Entschuldigungen gegenüber dem Opfer geschehen. Die schnelle Wiedergutmachung des Schadens stärkt nicht nur die Rechte des Opfers, sondern zeigt auch, dass der Beschuldigte Verantwortung für sein Handeln übernimmt.
Zudem kommt es auf das konkrete Delikt an – in gewissen Fällen wird trotz der Geringfügigkeit in der Praxis keine Diversion angeboten. Das kann beispielsweise bei falscher Beweisaussage (§ 288 StGB) sein, weil die Justiz aus Gründen der sogenannten Generalprävention keine Diversion einräumt.
Beispiele
Diversion wird in der Praxis häufig bei kleineren Vergehen angewendet, insbesondere in Fällen von leichter Körperverletzung, Ladendiebstahl oder Verkehrsdelikten. Ein klassisches Beispiel ist der sogenannte “Bagatelldiebstahl” in einem Geschäft. Hier könnte die Diversion in Form einer Geldbuße oder gemeinnützigen Arbeit erfolgen, ohne dass der Beschuldigte vor Gericht gestellt wird.
Konkret: Stellen wir uns vor, eine Person wird dabei erwischt, wie sie in einem Supermarkt einen kleinen Gegenstand stiehlt – die Tat ist auf Video aufgezeichnet, die Täterschaft ist klar ersichtlich. Anstatt das Verfahren zu einem Gerichtsprozess zu bringen, kann die Staatsanwaltschaft nun der Person vorschlagen, eine Diversion zu akzeptieren. Der Beschuldigte zahlt eine Geldbuße und entschuldigt sich bei dem Ladeninhaber. Der Schaden ist gering, und die Tat wird als einmaliger Ausrutscher gesehen. Sobald die Geldbuße gezahlt ist, wird das Verfahren eingestellt. Der Beschuldigte bleibt ohne Vorstrafe und kann sich schnell wieder auf sein Alltagsleben konzentrieren.
Auch bei Verkehrsunfällen, bei denen es zu leichteren Sach- oder Personenschäden gekommen ist, kann eine Diversion möglich sein. Anstatt das Verfahren langwierig vor Gericht zu bringen, kann der Beschuldigte, zum Beispiel durch eine Entschuldigung und die Wiedergutmachung des Schadens, die Diversion in Anspruch nehmen und so eine Verurteilung vermeiden.
Vorteile der Diversion
Ein großer Vorteil der Diversion besteht darin, dass sie dem Beschuldigten ermöglicht, das Verfahren ohne Eintragung in das Strafregister abzuschließen. Das bedeutet, dass die Diversion keine langfristigen negativen Auswirkungen auf das Leben des Beschuldigten hat. Im Gegensatz zu einer Verurteilung, die im Strafregister vermerkt wird und unter Umständen die berufliche und private Zukunft beeinträchtigen kann, bleibt bei der Diversion der Makel einer Vorstrafe aus. Dadurch kann der Beschuldigte sein Leben ohne die Last einer offiziellen Verurteilung weiterführen.
Ein weiterer Vorteil ist die Schnelligkeit. Während ein reguläres Gerichtsverfahren oft Monate oder sogar Jahre dauern kann, wird die Diversion meist zügig abgewickelt. Der Beschuldigte kann sich schneller von der belastenden Situation lösen und den Fall abschließen. Auch für die Justiz bedeutet das eine Entlastung, da langwierige Verfahren vermieden werden und Ressourcen für schwerwiegendere Fälle frei bleiben.
Diversion legt besonderen Wert auf die Interessen des Opfers. In vielen Fällen geht es darum, den entstandenen Schaden schnellstmöglich wieder gutzumachen. Das Opfer profitiert von der schnellen Schadensregulierung, sei es durch finanzielle Entschädigung oder andere Wiedergutmachungsmaßnahmen. Dadurch wird dem Opfer oft schneller geholfen als in einem langen Gerichtsprozess, wo Schadensersatzforderungen erst viel später geklärt werden.
Ein weiterer Vorteil der Diversion liegt in der Flexibilität. Sie erlaubt es, auf die individuellen Umstände des Beschuldigten einzugehen. Anstelle einer standardisierten Strafe können Maßnahmen gewählt werden, die besser zu der Situation und der Persönlichkeit des Beschuldigten passen. Ob eine Geldbuße, gemeinnützige Arbeit oder eine Entschuldigung – die Diversion bietet verschiedene Möglichkeiten, die je nach Fall angepasst werden können.
Nachteile
Obwohl die Diversion viele Vorteile bietet, ist sie nicht für alle Straftaten anwendbar. Schwerwiegende Vergehen wie schwere Körperverletzung, Vergewaltigung oder Mord kommen nicht für eine Diversion in Frage. Auch Wiederholungstäter, die bereits mehrfach straffällig geworden sind, haben in der Regel keinen Zugang zu dieser alternativen Verfahrensbeendigung. Diversion ist in erster Linie für geringfügige Straftaten und Ersttäter gedacht, bei denen die Tat als einmaliger Ausrutscher angesehen wird.
Ein möglicher Kritikpunkt an der Diversion ist, dass der Beschuldigte, obwohl er nicht verurteilt wird, dennoch bestimmte Auflagen akzeptieren muss. Das kann als Zwang empfunden werden, insbesondere weil der Beschuldigte sich entscheiden muss, die Diversion anzunehmen oder den regulären Prozess fortzusetzen. In diesem Kontext entsteht oft ein Druck, Maßnahmen wie die Zahlung einer Geldbuße oder gemeinnützige Arbeit anzunehmen, selbst wenn der Beschuldigte sich unschuldig fühlt. Der Verzicht auf ein Urteil bedeutet gleichzeitig, dass keine offizielle Feststellung der Unschuld oder Schuld erfolgt.
Ein weiterer Punkt der Kritik betrifft die Transparenz der Diversion. Da die Verfahren oft ohne öffentliche Verhandlung und Urteil abgeschlossen werden, könnte dies zu einem Mangel an öffentlicher Kontrolle führen. Kritiker bemängeln, dass die Diversion in einigen Fällen als „Geheimjustiz“ wahrgenommen werden könnte, da die Gründe für die Entscheidung und die genauen Umstände des Falls nicht immer öffentlich bekannt sind.
Die Diversion bietet eine wertvolle Alternative zum klassischen Strafverfahren, insbesondere bei leichteren Straftaten und Ersttätern. Sie ermöglicht es, ein Verfahren schnell und ohne die negativen Folgen einer Verurteilung abzuschließen, was sowohl dem Beschuldigten als auch den Opfern zugutekommt. Durch die Wiedergutmachung des Schadens und die Akzeptanz von Auflagen übernimmt der Beschuldigte Verantwortung, ohne dabei das Risiko einer langfristigen Stigmatisierung tragen zu müssen.
Allerdings ist die Diversion nicht für jeden Fall geeignet. Sie setzt auf Freiwilligkeit und eignet sich vor allem bei geringfügigen Vergehen, wo die klassischen Strafen unverhältnismäßig erscheinen. Dennoch bleibt die Diversion ein zweischneidiges Schwert: Sie kann Druck auf den Beschuldigten ausüben, bestimmte Maßnahmen zu akzeptieren, und die Kriterien für ihre Anwendung sind nicht immer eindeutig.
Insgesamt stellt die Diversion eine wichtige Ergänzung im österreichischen Strafrecht dar, die auf Effizienz, Wiedergutmachung und eine schonende Behandlung von Ersttätern abzielt. Sie bietet die Möglichkeit, das Rechtssystem zu entlasten und individuellere Lösungen für kleinere Vergehen zu finden. Ob sie die beste Wahl ist, hängt jedoch stets vom Einzelfall ab.
Wo sind die rechtliche Regelungen zur Diversion zu finden und nachzulesen?
Die gesetzlichen Regelungen zur Diversion in Österreich finden sich im Strafprozessrecht. Die wichtigsten Bestimmungen dazu sind im 11. Hauptstück der Strafprozessordnung (StPO) zu finden, genauer in den §§ 198–209b StPO.
Hier die wichtigsten Paragrafen im Überblick:
- § 198 StPO: Allgemeine Voraussetzungen der Diversion.
- § 199 StPO: Diversion durch Geldbußen.
- § 200 StPO: Diversion durch gemeinnützige Leistungen.
- § 201 StPO: Diversion durch Bewährungshilfe und andere Pflichten.
- § 203 StPO: Diversion durch den Tatausgleich (Mediation zwischen Täter und Opfer).
- § 204 StPO: Diversion durch den Verzicht auf Verfolgung.
- § 205 StPO: Bedingungen für die Zustimmung zur Diversion und deren Widerruf.
- § 206 StPO: Regelungen zur Schadensgutmachung und Einbeziehung der Opfer.
- §§ 208–209b StPO: Besondere Vorschriften und Anwendung der Diversion bei speziellen Straftatbeständen oder im Jugendstrafrecht.
Die Regelungen zur Diversion im Zusammenhang mit Suchtmittelkriminalität finden sich im Suchtmittelgesetz (SMG). Konkret sind die Diversionsmöglichkeiten in den folgenden Paragrafen verankert:
- § 35 SMG: Diversion bei geringen Mengen von Suchtmitteln für den Eigengebrauch.
- § 37 SMG: Alternativen zur Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, wie etwa Therapieauflagen oder medizinische Behandlungen anstelle von strafrechtlichen Sanktionen.
im Jugendstrafrecht gibt es ebenfalls spezifische Regelungen zur Diversion. Diese finden sich im Jugendgerichtsgesetz (JGG). Besonders relevant sind die folgenden Bestimmungen:
- § 6 JGG: Diversionsmaßnahmen bei jugendlichen Straftätern (bis zum 18. Lebensjahr). Hier wird geregelt, dass die Diversion vorrangig zur Anwendung kommen soll, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, um eine Verurteilung zu vermeiden. Es wird auch betont, dass bei Jugendlichen mehr auf erzieherische Maßnahmen geachtet wird.
- § 7 JGG: Diversion für junge Erwachsene (bis zum 21. Lebensjahr). Ähnlich wie bei Jugendlichen kann auch bei jungen Erwachsenen eine Diversion in Betracht kommen, insbesondere bei weniger schweren Vergehen und im Hinblick auf die Rehabilitierung und den Erziehungszweck des Jugendstrafrechts.
Credits
Text-Unterstützung: ChatGPT
Bildnachweis: Midjourney