Die Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

12/20/2024
Strafrecht

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist der Garant dafür, dass die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten…

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist der Garant dafür, dass die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten Rechte geschützt werden. Doch wie funktioniert der Zugang zu diesem Gericht, und welche Schritte sind zu beachten? Dieser Leitfaden gibt einen detaillierten Überblick über die Verfahren und Anforderungen.

Was ist der EGMR und welche Rechte schützt er?

Der EGMR ist ein internationales Gericht, die von den 46 Mitgliedsstaaten des Europarats geschaffen wurde, um sicherzustellen, dass die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eingehalten werden. Seit seiner Gründung hat der EGMR maßgeblich dazu beigetragen, dass fundamentale Rechte in ganz Europa geachtet werden. Zu den wichtigsten durch die EMRK garantierten Rechten zählen:

  • Das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK): Dieses Recht bildet die Grundlage für den Schutz jedes Menschen vor willkürlicher Tötung.
  • Schutz vor Folter und unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK): Hierunter fallen absolute Garantien, die jegliche Form von Folter oder erniedrigender Behandlung verbieten.
  • Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK): Dieses Recht gewährleistet, dass Gerichtsverfahren fair und öffentlich durchgeführt werden.
  • Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK): Dieses Recht schützt die persönliche Integrität und den privaten Lebensraum jedes Einzelnen​​.

Die Entscheidungen des EGMR sind für die Mitgliedsstaaten bindend. Diese Verpflichtung sichert nicht nur den individuellen Schutz, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit innerhalb Europas.

Unter welchen Bedingungen kann ich eine Beschwerde einreichen?

Der EGMR ist kein Ersatz für nationale Gerichte, sondern tritt nur dann in Erscheinung, wenn alle (effizienten) inländischen Rechtsmittel ausgeschöpft sind.

Um eine Beschwerde einzureichen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein – die drei Wichtigsten sind die folgenden:

  1. Direkte und persönliche Betroffenheit (Opferstatus): Sie müssen nachweisen, dass Sie unmittelbar von der behaupteten Verletzung eines in der EMRK garantierten Rechts betroffen sind. Dieser „Opferstatus“ schließt auch nahe Angehörige ein, falls die betroffene Person verstorben ist.
  2. Verantwortlichkeit des Staates: Der EGMR kann nur Beschwerden prüfen, die sich gegen einen Staat richten, der die EMRK ratifiziert hat. Klagen gegen Privatpersonen oder Unternehmen sind unzulässig.
  3. Einhaltung der Vier-Monats-Frist: Seit 2024 gilt eine Frist von vier Monaten (zuvor sechs Monate), innerhalb derer der Antrag nach der endgültigen nationalen Entscheidung eingereicht werden muss​​.

Diese strikten Zulässigkeitskriterien sollen sicherstellen, dass der EGMR nur dann tätig wird, wenn der nationale Rechtsweg keine Abhilfe schaffen konnte.

 

Wie funktioniert die Antragstellung?

Das Verfahren zur Antragstellung beim EGMR erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, da jede Unvollständigkeit zur Ablehnung führen kann. Die wesentlichen Schritte sind:

  1. Download des Antragsformulars: Das Formular ist auf der offiziellen Webseite des EGMR verfügbar und sollte idealerweise elektronisch ausgefüllt werden, um Bearbeitungsfehler zu minimieren.
  2. Vollständige Angaben: Der Antrag muss persönliche Daten, Angaben zum beklagten Staat, eine präzise Darstellung des Sachverhalts sowie die verletzten Artikel der EMRK enthalten. Zudem sind alle innerstaatlichen Gerichtsentscheidungen ausdrücklich zu benennen, damit der EGMR nachvollziehen kann, ob der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft wurde.
  3. Präzise und übersichtliche Darstellung: Der Sachverhalt sollte chronologisch und klar formuliert sein. Überflüssige Informationen oder emotionalisierte Argumentationen können die Bearbeitung erschweren.
  4. Belege und Nachweise: Dokumente wie Gerichtsurteile, medizinische Gutachten oder Zeugenaussagen sind essenziell, um die Beschwerde zu untermauern​​.

Ein sorgfältig ausgefülltes Formular ist die Grundlage dafür, dass der Fall überhaupt geprüft wird. In der Praxis werden über 90 % der Anträge aufgrund von Fehlern oder Unvollständigkeiten abgelehnt.

Welche typischen Fehler führen zur Ablehnung der Beschwerde?

Viele Anträge scheitern, weil grundlegende Anforderungen nicht erfüllt werden. Zu den häufigsten Fehlern zählen:

  • Unvollständige Antragsformulare – fehlende Angaben oder Belege führen dazu, dass der Antrag nicht bearbeitet wird.
  • Fehlender Nachweis der Erschöpfung des nationalen Rechtswegs – es muss klar sein, dass die gleiche Beschwerde bereits vor nationalen Gerichten vorgetragen wurde.
  • Verpasste Fristen – ein Antrag, der nach Ablauf der Vier-Monats-Frist eingereicht wird, ist unzulässig.
  • Unzureichende Beweise – ohne fundierte Dokumentation ist es schwierig, die Verletzung von Menschenrechten glaubhaft zu machen​​.

Um die Erfolgschancen zu erhöhen, empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Beistand zu suchen.

Wo und wie reiche ich den Antrag ein?

Anträge können ausschließlich per Post an die folgende Adresse gesendet werden:

Registrar,
European Court of Human Rights,
Council of Europe,
67075 Strasbourg Cedex, France
.

Elektronische Einreichungen (z. B. per E-Mail oder Fax) sind nicht möglich. Es ist entscheidend, dass die Originalunterschriften auf dem Formular vorhanden sind und der Antrag rechtzeitig abgeschickt wird​​.

Brauche ich einen Anwalt?

Ein Anwalt ist zwar nicht für die erste Einreichung erforderlich, jedoch dringend zu empfehlen. Ab dem Zeitpunkt, an dem der Staat zur Stellungnahme aufgefordert wird, ist eine anwaltliche Vertretung zwingend vorgeschrieben. In Fällen finanzieller Not bietet der EGMR unter bestimmten Voraussetzungen Rechtshilfe an​.

Was passiert nach der Einreichung?

Nach der Einreichung prüft der EGMR zunächst die Zulässigkeit des Antrags. Wird der Antrag akzeptiert, erhält der beklagte Staat die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der gesamte Prozess, der bis zu einem endgültigen Urteil führen kann, ist zeitintensiv und dauert oft mehrere Jahre. Bei einem positiven Urteil verpflichtet sich der Staat, die Verletzung zu beheben und gegebenenfalls eine Entschädigung zu zahlen. Die Umsetzung der Urteile wird vom Ministerkomitee des Europarats überwacht​.

 

Nützliche Links

EGMR-Homepage

Hudoc-Datenbank des EGMR

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