Kriminelle Netzwerke stellen eine wachsende Bedrohung für Wirtschaft und Gesellschaft dar. Ihr Einfluss reicht weit über traditionelle illegale Aktivitäten hinaus, da sie zunehmend legale Geschäftsstrukturen missbrauchen, um ihre Operationen zu erweitern und zu verschleiern. In einem Bericht vom Dezember 2024 beleuchtet Europol, wie diese Netzwerke legale Unternehmen infiltrieren, Korruption nutzen und ihre gesellschaftliche Macht ausbauen. Dieser Artikel analysiert die wichtigsten Erkenntnisse und gibt Unternehmen praxisnahe Hinweise, um sich vor solchen Bedrohungen zu schützen
Warum werden legale Geschäftsstrukturen missbraucht?
Legale Geschäftsstrukturen umfassen alle Arten von Unternehmen und Organisationen, die nach geltendem Recht gegründet wurden, darunter Einzelunternehmen, GmbHs, AGs, Partnerschaften, Vereine und Stiftungen. Ihre Attraktivität für kriminelle Netzwerke liegt in der Möglichkeit, eine rechtmäßige Fassade zu bieten und illegale Aktivitäten zu verschleiern. Durch die Nutzung von legale Unternehmen können Kriminelle illegale Einnahmen durch scheinbar legitime Geschäfte in den legalen Wirtschaftskreislauf einführen. Gleichzeitig wird Steuerbetrug begangen, indem gefälschte Rechnungen oder Scheinfirmen genutzt werden, um Steuerpflichten zu umgehen. Zudem können illegale Netzwerke mit der Tarnung als legales Unternehmen Partnerschaften eingehen oder sogar politische Entscheidungen beeinflussen, was ihren gesellschaftlichen Einfluss weiter verstärkt.
Bestimmte Branchen sind besonders anfällig für die Infiltration und den Missbrauch durch kriminelle Netzwerke. Cash-intensive Unternehmen wie Gastronomiebetriebe, Bars, Clubs und Einzelhandelsgeschäfte eignen sich ideal für Geldwäsche, da sie hohe Umsätze generieren und wenige digitale Spuren hinterlassen. Die Logistikbranche ist aufgrund ihrer zentralen Rolle in internationalen Lieferketten ein weiteres Ziel. Transport- und Import-/Exportfirmen werden oft zur Verlagerung illegaler Waren genutzt. Im Bau- und Immobiliensektor hingegen werden Gelder durch Investitionen in Projekte oder den Erwerb von Immobilien gewaschen. Selbst technologieorientierte Unternehmen sind nicht immun, da sie oft für Cyberkriminalität oder digitale Betrugsdelikte missbraucht werden. Auch wenn Unternehmen nicht in diese Kategorien fallen, können sie potenziell Ziel von kriminellen Netzwerken werden, weshalb alle Branchen wachsam bleiben sollten.
Wie nutzen kriminelle Netzwerke legale Strukturen?
Kriminelle Netzwerke bedienen sich einer Vielzahl von Methoden, um legale Geschäftsstrukturen zu ihrem Vorteil zu nutzen. Eine gängige Strategie besteht in der Gründung von Scheinfirmen, die lediglich auf dem Papier existieren und als Vehikel für Geldwäsche, Steuerbetrug oder andere illegale Aktivitäten dienen. In einigen Fällen infiltrieren Netzwerke bestehende Unternehmen, indem sie Anteile übernehmen oder Insider einsetzen, die ihnen Kontrolle verschaffen. Auch die Nutzung von Strohmännern, also Personen ohne kriminellen Hintergrund, wird häufig eingesetzt, um die wahren Akteure zu verschleiern. Eine weitere Methode ist der Missbrauch von Insolvenzverfahren, bei dem Unternehmen am Rande der Insolvenz aufgekauft und für illegale Zwecke genutzt werden.
Korruption spielt in diesem Kontext eine zentrale Rolle bei der Unterstützung krimineller Operationen. Durch Bestechung und andere illegale Mittel verschaffen sich Netzwerke Zugang zu wichtigen Informationen, umgehen regulatorische Hürden und verhindern Ermittlungen. Im Immobiliensektor beispielsweise werden Bestechungsgelder an lokale Beamte gezahlt, um Bauprojekte zu genehmigen, die ansonsten abgelehnt würden. Korruption ermöglicht es kriminellen Netzwerken, ihre illegalen Aktivitäten effektiv zu verschleiern und auszubauen.
Der Missbrauch legaler Geschäftsstrukturen konzentriert sich laut Europol-Bericht in mehreren zentralen Bereichen. Innerhalb der EU befinden sich die meisten infiltrierten Unternehmen in den Mitgliedsstaaten selbst, was den Zugang zu lokalen Ressourcen und Märkten erleichtert. Besonders Grenzregionen dienen als Knotenpunkte für den Transport illegaler Waren. In Krisengebieten, etwa während der COVID-19-Pandemie, steigt die Anfälligkeit von Unternehmen, da wirtschaftliche Schwierigkeiten ausgenutzt werden, um sich Einfluss zu verschaffen.
Fallbeispiele
Umwelt und Tierwohl
Ein eindrückliches Beispiel für den Missbrauch legaler Strukturen ist der illegale internationale Welpenhandel. Die EU verbietet den Transport von Welpen unter 15 Wochen innerhalb ihrer Grenzen aufgrund von Tollwutrisiken. Dennoch bleibt die Nachfrage nach Welpen, die jünger als 12 Wochen sind, in Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland hoch, was Möglichkeiten für kriminelle Aktivitäten schafft. Züchter in Osteuropa fälschen Dokumente, um die Welpen älter erscheinen zu lassen und transportfähig zu machen. Die Verteiler, oft kleine legale Unternehmen, die aus Familienmitgliedern bestehen und auf den Tierhandel spezialisiert sind, beschaffen gefälschte Tollwutimpfungsunterlagen und Altersnachweise durch bestochene Tierärzte. Die Welpen werden dann an Zoohandlungen in Westeuropa verkauft und umgehen die gesetzlichen Transportbeschränkungen mit gefälschten Lizenzen und falschen Papieren. Der Transport wird meist von den Verteilerfirmen selbst durchgeführt, doch manchmal werden Subunternehmer in weniger verdächtigen Ländern eingeschaltet, die die Hunde dann an Zoohandlungen in Westeuropa liefern.
Subventionen
Ein aufschlussreiches Beispiel ist der kriminelle Missbrauch von Subventionen für medizinische Hilfsmittel. Ein Netzwerk errichtete Scheinfirmen, die orthopädische Hilfsmittel verkaufen sollten, um Subventionsbetrug zu begehen. Die Täter entdeckten eine Gesetzeslücke im System, da Bestellungen für medizinische Hilfsmittel nicht kontrolliert wurden, während der Staat den Vertriebsgesellschaften eine Rückerstattung von 90 % anbot. Die Kriminellen, die als Geschäftsführer dieser Firmen agierten, bestachen zwei Ärzte und deren drei Assistenten, um gefälschte Rezepte für orthopädische Hilfsmittel auszustellen. Hierfür nutzten die medizinischen Fachkräfte die Daten ahnungsloser Patienten. Die Kriminellen reichten die Rückerstattungsanträge beim nationalen Versicherungsfonds ein, ohne die Hilfsmittel tatsächlich herzustellen. Die Operation generierte einen Umsatz von mehreren Millionen Euro. Die Erlöse aus diesen illegalen Aktivitäten wurden in Immobilien, Anlagegüter, Fahrzeuge und Goldbarren investiert und verursachten einen Schaden von mehr als 700.000 Euro für den Staat.
Lebensmittel
Ein weiteres Beispiel betrifft den hochentwickelten Lebensmittelbetrug. Ein kriminelles Netzwerk importierte und verkaufte mit Gartenie versetzten Safran, eine in der EU nicht zugelassene giftige Substanz. Da die Substanz dem Safran auf molekularer Ebene stark ähnelt, konnte sie lange Zeit nicht entdeckt werden. Die Operation wurde durch eine komplexe legale Geschäftsstruktur unterstützt, die spezifische Aufgabenverteilungen beinhaltete: Ad-hoc-Produktion in China, technische Experten, die gegen Detektionstechniken arbeiteten, und ein Verkaufsteam. Diese kriminellen Operationen liefen systematisch über fast ein Jahrzehnt hinweg, von 2013 bis 2022.
Suchtmittel
In einem anderen Fall infiltrierte ein chinesisches kriminelles Netzwerk Unternehmen und missbrauchte Paketdienste für den Drogenhandel. Neue psychoaktive Substanzen wurden über ein internationales Versandnetzwerk in Länder wie Neuseeland, Hongkong, Kanada und die USA verschickt. Während eine unwissentlich missbrauchte Import-/Exportfirma die Abwicklung der Ware durchführte, wurde eine zweite Firma, die unter der Kontrolle des Netzwerks stand, für die Umverpackung und den Weitertransport genutzt. Diese war speziell gegründet worden, um die illegalen Operationen zu unterstützen, wobei die Drogen in Acrylröhren, Mahjong-Steinen und Kartonagen versteckt wurden. Die Gewinne aus dem Drogenhandel wurden durch Bankkonten der Netzwerkmitglieder gewaschen.
Diebstahl
Ein weiteres Beispiel betrifft den systematischen Diebstahl von Katalysatoren durch ein Netzwerk von über 50 Personen. Die gestohlenen Katalysatoren wurden zerlegt, um Edelmetalle zu extrahieren, die dann exportiert wurden, unter anderem nach Deutschland, Großbritannien und Südkorea. Hierfür wurde eigens eine Recyclingfirma gegründet, die nicht nur die gestohlenen Teile weiterverkaufte, sondern auch einen Online-Katalog betrieb, um Kunden anzulocken. Mit mehr als 7.000 gestohlenen Katalysatoren erzielte das Netzwerk kriminelle Gewinne in Höhe von 3,5 Millionen Euro.
Geldwäsche
Schließlich bietet ein international agierendes Geldwäschenetzwerk Dienstleistungen für handelsbasierte Geldwäsche an. Dieses Netzwerk, das sich aus Akteuren verschiedener Nationalitäten zusammensetzt, verwendet komplexe Strukturen, um Gewinne aus dem Drogenhandel in Südamerika zu verschleiern. Die Drogeneinnahmen werden in europäische Firmen eingeschleust und zum Kauf von Waren wie Mobiltelefonen verwendet, die dann in die USA und weiter nach Kolumbien exportiert werden. Nach dem Verkauf dieser Waren erhalten die Drogenkartelle das Geld als verschleierte Zahlung zurück, wodurch ein geschlossener Geldkreislauf entsteht.
Ausblick
Die Beispiele aus dem Europol-Bericht zeigen, dass es viele reale Beispiele gibt, wie legale Unternehmen und Geschäftsstrukturen unterwandert werden können.
Die Implementierung starker Compliance-Richtlinien ist der erste Schritt, um Missbrauch zu verhindern. Eine starke Compliance-Kultur umfasst strenge Prüfungen von Geschäftspartnern und Investoren, den Einsatz von Technologien, um ungewöhnliche Transaktionen zu erkennen, sowie die Sensibilisierung von Mitarbeitern für Anzeichen von Korruption und Missbrauch. Unternehmen sollten verdächtige Aktivitäten sofort den zuständigen Stellen melden und an Initiativen wie EMPACT teilnehmen, um aktiv gegen kriminelle Netzwerke vorzugehen. Regelmäßige interne und externe Audits helfen dabei, Risiken aufzudecken und Schwachstellen zu beheben.