Rechtsbehelfe im AI Act – Teil 1

10/29/2024
Compliance
Bei der Implementierung von KI müssen Unternehmen gesetzliche Vorgaben, insbesondere den AI Act, beachten. Der Umgang mit Beschwerden und die Überprüfung durch Marktüberwachungsbehörden sind entscheidend für rechtssichere KI-Systeme. Im ersten Teil dieser Serie beleuchten wir das Beschwerderecht bei Marktüberwachungsbehörden gemäß Artikel 85 AI Act.

Warum ist Artikel 85 AI Act wichtig?

Der Artikel 85 AI Act, der das Recht auf Beschwerde bei einer Marktüberwachungsbehörde regelt, ist nicht nur ein formales Instrument, sondern ein entscheidender Punkt, den Unternehmen bereits in der Phase der Konstruktion und Implementierung ihrer KI-Systeme beachten sollten. Es reicht nicht aus, dass KI-Systeme nur technisch und funktional einwandfrei sind. Unternehmen müssen auch sicherstellen, dass sie auf potenzielle Beschwerden vorbereitet sind. Dies bedeutet konkret: Unternehmen müssen Mechanismen vorsehen, die es ermöglichen, Beschwerden über die Konformität ihrer Systeme mit den Vorgaben des AI Acts effizient zu bearbeiten.

 

Im Wesentlichen verpflichtet Artikel 86 AI Act die Betreiber von gewissen KI-Systemen, den betroffenen Personen verständlich darzulegen, welche Einflussfaktoren und Prozesse zu der jeweiligen Entscheidung geführt haben. Dies umfasst die wesentlichen Daten, auf deren Grundlage die Entscheidung getroffen wurde, sowie die Art und Weise, wie das KI-System diese Daten verarbeitet hat.

Was regelt Artikel 85 AI Act?

Artikel 85 verleiht jedem das Recht, eine Beschwerde bei der zuständigen Marktüberwachungsbehörde einzureichen. Dabei ist wichtig zu betonen, dass dieser Rechtsbehelf nicht dem individuellen Schutz der betroffenen Person dient – wie es beispielsweise in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Fall ist. Vielmehr steht im Fokus, dass die Einhaltung des AI Acts als Ganzes überwacht wird. Es geht darum, dass die Marktüberwachungsbehörden informiert werden, wenn es den Verdacht gibt, dass gegen die Verordnung verstoßen wird.

Besonderheiten der Beschwerde nach Artikel 85 AI Act

Eine Besonderheit dieses Beschwerderechts ist, dass keine persönliche Betroffenheit oder Verletzung erforderlich ist, um eine Beschwerde einzureichen. Das bedeutet: Jeder – Einzelpersonen, NGOs, Unternehmen – kann eine Meldung an die Marktüberwachungsbehörde machen, selbst wenn er oder sie nicht direkt betroffen ist. Dies eröffnet der Behörde die Möglichkeit, auf der Grundlage solcher Meldungen tätig zu werden und zu prüfen, ob ein Verstoß gegen die Vorgaben des AI Acts vorliegt.

Durch die Einreichung einer Beschwerde nach Artikel 85 AI Act können die Marktüberwachungsbehörden somit auch ohne konkreten Schaden oder unmittelbare Auswirkungen tätig werden. Sie prüfen auf Basis von Artikel 79 Absatz 2 AI Act und Artikel 80 Absatz 1 AI Act den Verdacht einer nicht-konformen Nutzung von KI-Systemen. Diese Vorschriften erlauben eine Überprüfung, wenn „ein hinreichender Grund zur Annahme einer nicht Konformität“ vorliegt – und solche Gründe können durch Beschwerden nach Artikel 85 AI Act geliefert werden.

Unterschied zur DSGVO

Ein bedeutender Unterschied zur DSGVO liegt darin, dass die Beschwerde nach Artikel 85 AI Act keine persönliche Betroffenheit voraussetzt. In der DSGVO ist es nach Artikel 77 Absatz 1 AI Act erforderlich, dass eine natürliche Person behauptet, ihre personenbezogenen Daten seien nicht ordnungsgemäß verarbeitet worden. Solch eine individuelle Betroffenheit ist im AI Act nicht notwendig. Dies zeigt, dass der Fokus des AI Acts stärker auf die allgemeine Marktüberwachung und die Sicherstellung der Systemkonformität gerichtet ist.

Fazit

Für Unternehmen, die KI-Systeme entwickeln und implementieren, bedeutet Artikel 85 AI Act, dass sie Mechanismen zur Berücksichtigung von Beschwerden vorsehen müssen, auch wenn sie nicht unmittelbar von betroffenen Personen stammen. Die Marktüberwachungsbehörden sind verpflichtet, eingegangene Meldungen zu prüfen – auch bei rein vermuteten oder objektiv beobachteten Verstößen. Ein formeller Schaden muss dabei nicht nachgewiesen werden. Allerdings sollten Unternehmen auch bedenken, dass sie keinen direkten Einfluss auf die Bearbeitung der Beschwerde haben. Ein formeller Nachteil ist, dass die Marktüberwachungsbehörden nach Artikel 85 nicht verpflichtet sind, die beschwerdeführende Person in das Verfahren einzubeziehen oder zu informieren.

Im zweiten Teil dieser Serie wird es um das Recht auf Erläuterung der Entscheidungsfindung im Einzelfall gehen. Dies ist ein weiteres wesentliches Element für die rechtssichere Implementierung von KI-Systemen.

AI Credits

Bilder: Midjourney

Textunterstützung: ChatGPT

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