Seit dem 1. Januar 2024 gelten in Österreich neue Regelungen, die Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder automatisch von ihrer Organfunktion ausschließen, wenn sie wegen bestimmter Straftaten rechtskräftig verurteilt werden. Ziel ist es, die Integrität der Unternehmensführung zu stärken und das Vertrauen in den Geschäftsverkehr zu fördern.
Österreich setzt hier die EU-Digitalisierungsrichtlinie (Art. 13i RL 2019/1151) um, welche den unionsweiten Ausschluss von Personen als „disqualifizierte Geschäftsführer“ vorsieht. Innerstaatlich umgesetzt wurde diese Regelung mit dem Gesellschaftsrechtlichen Digitalisierungsgesetz 2023 (GesDigG 2023). Die Disqualifikationen sind insbesondere in den §§ 15 und 16a GmbHG, § 75 AktG, § 15 GenG sowie im Firmenbuchgesetz (FBG) verankert.
Die wichtigsten Eckpunkte
Die Disqualifikation tritt automatisch und zwingend ein, wenn ein Geschäftsführer die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- Rechtskräftige Verurteilung für bestimmte Delikte (§ 15 Abs. 1a GmbHG, § 75 Abs. 2a AktG, § 15 Abs. 2a GenG).
- Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, unabhängig davon, ob die Strafe bedingt (auf Bewährung) oder unbedingt verhängt wurde.
- Die Rechtskraft der Verurteilung muss nach dem 31. Dezember 2023 eingetreten sein (§ 16a GmbHG, § 75 Abs. 3 AktG).
Die Disqualifikation ist auf drei Jahre befristet (§ 15 Abs. 1a GmbHG, § 75 Abs. 2a AktG). Nach Ablauf dieser Frist kann die betroffene Person wieder in Führungspositionen bestellt werden.
Welche Delikte führen zur Disqualifikation?
Die relevanten Straftaten umfassen wirtschaftsnahe Delikte, die typischerweise von Organmitgliedern in Verbindung mit ihrer Funktion begangen werden. Dazu zählen unter anderem:
- Straftaten im Strafgesetzbuch (StGB):
- Betrug (§ 146 StGB)
- Untreue (§ 153 StGB)
- Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB)
- Betrügerische Krida (§ 156 StGB)
- Geldwäscherei (§ 165 StGB)
- Wettbewerbsbeschränkende Absprachen (§ 168b StGB)
- Straftaten im Finanzstrafgesetz (FinStrG):
- Abgabenbetrug (§ 39 FinStrG)
- Grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug (§ 40 FinStrG)
- EU-spezifische Delikte:
- Betrug zum Nachteil der EU-Finanzen (§ 168f StGB)
- Missbrauch von EU-Fördermitteln (§ 168g StGB)
Delikte ohne direkten Bezug zum Unternehmenskontext, wie Diebstahl oder Körperverletzung, führen hingegen nicht zur Disqualifikation.
Automatisierte Kontrolle durch das Firmenbuchgericht
Die Einhaltung der neuen Regeln wird durch ein automatisiertes Verfahren überprüft:
- Neueintragungen von Organen: Bei der Anmeldung eines neuen Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds prüft das Firmenbuchgericht nach § 19a Abs. 1 FBG automatisch, ob eine disqualifizierende Verurteilung vorliegt. Ist dies der Fall, wird die Eintragung abgelehnt.
- Bereits eingetragene Personen: Wenn eine disqualifizierende Verurteilung eintritt, muss die betroffene Person gemäß § 16a Abs. 3 GmbHG oder § 75 Abs. 3 AktG unverzüglich zurücktreten. Erfolgt kein Rücktritt, hat das Firmenbuchgericht die Löschung der Person aus dem Firmenbuch von Amts wegen vorzunehmen (§ 19a Abs. 3 FBG).
- Grenzüberschreitende Kontrolle: Über das europäische Business Registers Interconnection System (BRIS) (§ 37 FBG) werden Informationen über disqualifizierte Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder EU-weit ausgetauscht.
Was bedeutet die Disqualifikation für das Unternehmen?
Sobald eine Disqualifikation rechtskräftig wird, verliert die betroffene Person ihre Position als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied. Das bedeutet, sie hat Keine Vertretungsbefugnis mehr. Die Gesellschaft muss die Person ersetzen, da sie keine wirksamen Handlungen mehr für das Unternehmen vornehmen kann.
Reagiert die Gesellschaft nicht, wird die Disqualifikation automatisch vom Firmenbuchgericht durchgesetzt. Das kann zu operativen Störungen führen, wenn kein Ersatz zeitgerecht gefunden wird.
Ausnahmefälle: Bedingte Nachsicht der Disqualifikation
Das Gericht kann in Ausnahmefällen die Disqualifikation „auf Bewährung“ aussetzen (§ 44 Abs. 2 StGB). Dies erfordert jedoch einen ausdrücklichen Ausspruch im Strafurteil. Eine solche Nachsicht ist unabhängig von der Höhe der Freiheitsstrafe möglich, wird aber in der Praxis selten angewandt. Gerade hier ist die Unterstützung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt ein wertvolles Asset, um gravierenden Folgen für das betroffene Unternehmen einzuhegen.
Was können Unternehmen tun, um sich abzusichern?
- Prüfung vor Bestellung: Vor der Eintragung eines neuen Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds sollte sichergestellt werden, dass keine disqualifizierenden Verurteilungen vorliegen. Eine schriftliche Erklärung oder die Vorlage eines Führungszeugnisses kann hilfreich sein.
- Compliance-Systeme etablieren: Ein gut durchdachtes Compliance-Management schützt nicht nur das Unternehmen, sondern auch die handelnden Personen vor rechtlichen Verstößen. Dazu gehören regelmäßige Schulungen und klare interne Richtlinien.
- Proaktive Zusammenarbeit mit Experten: Rechtsanwälte oder spezialisierte Berater können frühzeitig auf mögliche Risiken hinweisen und Handlungsempfehlungen geben.
Eine neue Ära der Verantwortung
Mit den neuen Regelungen wird die Unternehmensführung in Österreich auf ein neues Level der Verantwortung gehoben. Für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder bedeutet dies, dass strafrechtliche Verurteilungen nicht nur persönliche Konsequenzen haben, sondern auch den Verlust der Führungsposition nach sich ziehen können. Unternehmen sollten die neuen Vorgaben ernst nehmen und präventiv handeln, um rechtliche Risiken zu minimieren und Vertrauen bei Geschäftspartnern und Mitarbeitern zu stärken.