Was kostet der Einsatz des Strafverteidigers im Ermittlungsverfahren? Hinweise vom OLG Wien

01/05/2025
Strafrecht
Kostenfrage bei Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft: OLG Wien klärt die Auslegung von § 196a StPO.

Was kostet es, wenn ein Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren einen Beschuldigten vertritt und noch in dieser Ermittlungsphase erfolgreich eine “definitive” Einstellung des Verfahrens (und insofern einen “Freispruch”) erwirkt? Diese Frage ist überaus schwierig zu beantworten. Es gibt jedoch seit 2024 eine Norm in der Strafprozessordnung, die festlegt, dass in derartigen Fällen die öffentliche Hand einen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten hat. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat im Dezember 2024 nun nähere Details zu dieser Norm herausgearbeitet. Vor diesem Hintergrund kann man eine grobe Schätzung zu den Verteidigerkosten veranlassen.

Der Beitrag zu den Verteidigerkosten nach § 196a StPO

§ 196a StPO bestimmt in seinem ersten Absatz folgendes (eigene Hervorhebungen):

“Wird ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 oder § 190 eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs. 2 auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von 6 000 Euro nicht übersteigen.”

Ganz wichtig sind in der ersten Lektüre die folgenden Details:

  • Die öffentliche Hand gibt laut § 196a StPO in bestimmten Fällen der Verfahrenseinstellung (nur) einen (zusätzlichen) Beitrag zu den (effektiven) Gesamtkosten, die der Beschuldigte zu tragen hat. Das heißt, die tatsächlich effektiv verrechneten Kosten sind i.d.R. höher.
  • Diese Norm legt zudem eine Höchstgrenze von 6.000 EUR fest, die unter bestimmten Umständen (siehe weitere Absätze von § 196a StPO) weiter ausgedehnt wird. Höchstgrenze impliziert, dass dies nicht der Standardwert ist, mit dem zu rechnen ist. Es ist außerdem nur die Höchstgrenze, die die öffentliche Hand zusprechen kann – die effektiven Verteidigerkosten können unter Umständen höher sein.

OLG Wien Entscheidung – eine Richtschnur

Das OLG Wien hat in seinem Beschluss vom 9.12.2024, 30 Bs 178/24g folgende zentrale Aussagen getätigt:

Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von 6.000 Euro soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund 3.000 Euro an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- oder Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben.

Bei durchschnittlichen Verfahren ist von 3.000 EUR Aufwand auszugehen. Dies betrifft aber vor allem Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft (und nicht nur die Bezirksanwaltschaft) ermittelt. Denn in bezirksanwaltschaftlichen Ermittlungen gilt ein geringerer Betrag:

Für Verfahren, die […] in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis (bei gleichem Höchstsatz im Gesetz) auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin 1.500 Euro angemessen.

Damit gibt es also zwei Richtwerte für Standardverfahren – bei der Staatsanwaltschaft ist der durchschnittliche Wert 3.000 EUR, bei der Bezirksanwaltschaft hingegen 1.500 EUR.

Damit stellt sich die Frage, was sind denn durchschnittliche Verfahren? Auch darauf hat das OLG Wien eine Antwort:

Zur konkreten Bemessung wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der allgemeinen Honorarkriterien rund 1.500 Euro (bezirksanwaltliches Verfahren) an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in diese Berechnung zwar der Einheitssatz, jedoch (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge nicht einzubeziehen sind.

Das durchschnittliche Verfahren, wo 3.000 EUR (bei der Staatsanwaltschaft) bzw. 1.500 EUR (bei der Bezirksanwaltschaft) als Richtschnur für den Beitrag zu den Verfahrenskosten nach § 196a StPO gilt, umfasst also die ersten Elemente effektiver Verteidigungshandlungen, die zu einem Ende des Strafverfahrens führen können, namentlich:

  • Mandantenbesprechung (TP8 RATG)
  • Vollmachtsbekanntgabe & Akteneinsicht im Strafverfahren (TP2 RATG)
  • Aktenstudium bzw. Vorbereitungshandlungen (TP7/2 RATG)
  • Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von 2 Stunden (TP7/2 RATG)

Ausblick

Was kostet es also, wenn ein Strafverteidiger im Ermittlungsverfahren einen Beschuldigten vertritt und noch in dieser Ermittlungsphase erfolgreich eine “definitive” Einstellung des Verfahrens (und insofern einen “Freispruch”) erwirkt? Die Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Wenn man aber weiß, dass bei bestimmten Verfahrenseinstellung (“Freispruch”) die öffentliche Hand einen (zusätzlichen) Beitrag zu den Kosten für die Verteidigung ausbezahlt, der in Durchschnittsfällen bei rund 3.000 EUR (Staatsanwaltschaft) bzw. 1.500 EUR (Bezirksanwaltschaft) liegt, kann man sich ein Bild davon machen, wie hoch der effektive Kostenfaktor für die Strafverteidigung tatsächlich sein kann. Das hängt natürlich letztlich von der Honorarvereinbarung (Pauschalhonorar? Zeithonorar? Abrechnung nach Tarif?) zwischen Verteidiger und Mandanten ab. Die hier vorgestellten Informationen können aber zumindest einen Eindruck davon geben, in welche Richtung es sich bewegt.

 

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