Zukunft des anwaltlichen Geschäftsmodells – ein paar Gedanken

02/07/2025
Strafrecht

Die Rechtsdienstleistungsbranche steht vor einem historischen Wendepunkt, angetrieben von technologischen Innovationen, zunehmender Globalisierung und einem verstärkten Fokus auf Effizienz. Wo…

Die Rechtsdienstleistungsbranche steht vor einem historischen Wendepunkt, angetrieben von technologischen Innovationen, zunehmender Globalisierung und einem verstärkten Fokus auf Effizienz. Wo einst persönliche Beratung und umfassendes Wissen in verschiedenen Rechtsbereichen im Vordergrund standen, treten nun spezialisierte Dienstleistungen, digitale Prozesse und innovative Geschäftsmodelle in den Vordergrund. Dieser Wandel stellt Kanzleien vor grundlegende Fragen: Wie können sie in einem hart umkämpften Markt relevant bleiben? Und wie können sie von neuen Technologien profitieren, ohne dabei ihre traditionellen Werte zu verlieren? Im Rahmen einer Diskussion habe ich mich dazu kürzlich geäußert.

Von der Dienstleistung zum marktfähigen Produkt

In der Vergangenheit wurde juristische Arbeit primär als hochspezialisierte, persönliche Dienstleistung betrachtet, die nur von Fachleuten erbracht werden konnte (“Maßanzug” statt “Stangenware”). Doch der heutige Markt – so ist zumindest der Eindruck –  fasst Recht zunehmend als marktfähiges Produkt auf. Dieser Perspektivwechsel wird durch mehrere Faktoren befeuert:

  • Unternehmen und Privatpersonen fordern erschwinglichere juristische Unterstützung, was den Kostendruck auf Kanzleien erhöht und sie dazu zwingt, ihre Strukturen zu überdenken.
  • Softwarelösungen wie KI-gestützte Vertragsanalyse oder Online-Rechtsberatungstools erlauben eine effiziente und automatisierte Bearbeitung – sodass das bisherige Geschäftsmodell, möglichst hohe “billable hours” zu schaffen, nicht mehr funktioniert.
  • Aufgaben wie die Überprüfung von Dokumenten oder die rechtliche Recherche werden zunehmend an externe Anbieter ausgelagert.

Ein Symptom für den letzten Bulletpoint ist die Entstehung virtueller Kanzleien, die durch digitale Plattformen Rechtsdienstleistungen anbieten. Diese Modelle erlauben Mandanten, auf einfache Weise Beratung zu erhalten, ohne physisch eine Kanzlei besuchen zu müssen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist „Rocket Lawyer“, eine Plattform, die vor allem in den USA populär ist und Privatpersonen sowie kleinen Unternehmen erschwingliche rechtliche Unterstützung bietet.

Zwei Trends: Legal Service Outsourcing & Legal Tech

Das Auslagern juristischer Aufgaben, bekannt als Legal Service Outsourcing (LSO) oder Legal Process Outsourcing (LPO), ist eine der bedeutendsten Entwicklungen in der Branche. Besonders große Kanzleien nutzen diese Möglichkeit, um Kosten zu senken und gleichzeitig Zugang zu spezialisierten Fachkräften zu erhalten.

Zudem darf gegenwärtig die Rolle von Technologie in der Transformation des anwaltlichen Geschäftsmodells nicht übersehen werden. Legal-Tech-Lösungen verändern die Art und Weise, wie Rechtsdienstleistungen erbracht werden. Besonders bemerkenswert ist der Einsatz von KI in der Vertragsanalyse. Ein weiteres Beispiel ist die Blockchain-Technologie, die in der Gestaltung von Smart Contracts Anwendung findet. Diese digitalen Verträge führen sich selbst aus, sobald bestimmte Bedingungen erfüllt sind, und reduzieren dadurch die Notwendigkeit für manuelle Überprüfungen. Dies ist besonders in internationalen Handelsverträgen von Vorteil, da sie die Abwicklungskosten senken und die Effizienz erhöhen.

Boutique-Kanzleien und virtuelle Kanzleien

Neben Großkanzleien gewinnen kleinere, spezialisierte Kanzleien – sogenannte Boutique-Kanzleien – an Bedeutung. Diese bieten gezielte Dienstleistungen in Nischenbereichen wie Datenschutzrecht, Arbeitsrecht oder Strafrecht an. Ihr Vorteil liegt in der Flexibilität, mit der sie auf Mandantenbedürfnisse eingehen können. Virtuelle Kanzleien wiederum haben ein völlig anderes Geschäftsmodell. Sie operieren vollständig online und bieten Mandanten einfache, kostengünstige Lösungen.

Anpassung in der Dienstleistung

Der Rechtsmarkt wird sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln, und einige klare Trends scheinen sich bereits abzuzeichnen:

  1. Aufgaben wie die Due-Diligence-Prüfung bei Übernahmen oder die Überprüfung von Vertragsklauseln werden zunehmend automatisiert, was die Effizienz steigert.
  2. Kanzleien werden enger mit Legal-Tech-Unternehmen zusammenarbeiten, um innovative Lösungen zu entwickeln.
  3. Mandanten fordern mehr Klarheit bei Gebühren und eine stärkere Einbindung in den Prozess.

Das anwaltliche Geschäftsmodell scheint jedenfalls nicht mehr das, was sie einst war. Kanzleien müssen ihre Arbeitsweise überdenken, ihre Geschäftsmodelle anpassen und technologiegetriebene Lösungen in ihre Strategien integrieren. Nur so können sie in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt überleben.

Anpassung in der Preisgestaltung

Auch die Preisgestaltung (Honorar) wird sich ändern. Traditionell dominierte das Modell der Billable Hours – abgerechnete Stunden – den Rechtsmarkt. Mit zunehmendem Druck auf Kanzleien, transparentere, vorhersehbare und effizientere Kostenmodelle anzubieten, wird jedoch die projektbasierte Preisgestaltung (Project-Based Pricing) an Bedeutung gewinnen.

Billable Hours

Das Modell der Billable Hours basiert darauf, dass Anwälte ihre Arbeit in Zeiteinheiten (bisweilen 15-Minuten-Intervalle; für den Mandanten günstig hingegen sind etwa 5- oder 10-Minuten-Intervalle) erfassen und die Mandanten entsprechend der aufgewendeten Stunden bezahlen. In Österreich wurde der anwaltliche Stundensatz zwischen EUR 300,- und EUR 500,- als “jedenfalls angemessen” erachtet (vgl. OGH 19.03.224, 4 Ob 179/23m). Dieser Ansatz ist seit Jahrzehnten in der Rechtsbranche etabliert und hat durchaus Vorteile (für beide Seiten):

  • Bei Angelegenheiten mit unklarem Arbeitsaufwand ermöglicht dieses Modell eine präzise Abrechnung.
  • Anwälte werden direkt für die Zeit entschädigt, die sie investieren, was besonders bei umfangreichen Recherchen oder komplexen Fällen sinnvoll sein kann.

Es gibt jedoch auch gewichtige Nachteile:

  1. Mandanten wissen oft nicht im Voraus, wie viel ein bestimmter Fall kosten wird, was Unsicherheit und Unzufriedenheit hervorrufen kann.
  2. Das Billable-Hour-Modell kann Anwälte dazu motivieren, länger zu arbeiten, um mehr Stunden in Rechnung zu stellen, was als ineffizient wahrgenommen werden könnte.
  3. Besonders bei langwierigen Streitigkeiten oder umfangreichen Projekten können die Kosten außer Kontrolle geraten.

Inzwischen hat sich auch die Rechtsprechung eingeschaltet. Bei einer Stundensatzvereinbarung muss der Rechtsanwalt dem Verbraucher gegenüber Angaben über den voraussichtlichen Zeitaufwand machen, bei sonstiger Intransparenz (vgl EuGH 12.01.2023, C-395/21; aus der Literatur siehe Kumin/Maderbacher, Stundensatzvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Verbraucher ist ohne Angaben über voraussichtlichen Zeitaufwand intransparent, ÖJZ 2023/47)

Project-based Pricing

Im Gegensatz dazu definiert das Modell der projektbasierten Preisgestaltung im Voraus eine feste Gebühr für ein spezifisches Projekt oder einen bestimmten Service. Es geht faktisch um das Pauschalhonorar. Diese Methode wird immer beliebter, da sie sowohl für Kanzleien als auch für Mandanten Vorteile bietet:

  • Mandanten wissen genau, wie viel sie zahlen müssen, was Vertrauen und Zufriedenheit erhöht.
  • Kanzleien sind motiviert, effizient zu arbeiten, da sie nicht mehr nach Stunden, sondern nach Ergebnissen vergütet werden.
  • Unternehmen können ihre Budgets präziser planen, insbesondere bei wiederkehrenden Dienstleistungen wie Vertragsprüfungen oder Compliance-Beratung.

Gleichwohl verteilen sich die Risiken neu:

  • Wenn der Arbeitsaufwand für den Anwalt höher ist als erwartet, trägt die Kanzlei das Risiko, da die Vergütung bereits festgelegt ist.
  • Bei unvorhergesehenen Änderungen des Projektumfangs kann das Modell schwierig anzupassen sein.

Besonders Unternehmen, die regelmäßig juristische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, bevorzugen zunehmend projektbasierte Modelle, da sie bessere Kontrolle und Planbarkeit in ihren Kosten bieten. Ein denkbarer Use Case ist die Nutzung von Abonnements für wiederkehrende juristische Dienstleistungen: Kanzleien bieten Unternehmen etwa monatliche Pakete für Compliance-Beratung oder Vertragsmanagement an. Diese Modelle kombinieren die Vorteile von Project-Based Pricing mit regelmäßiger Mandantenbetreuung.

Ausblick

Unbestreitbar scheint, dass die Rechtsbranche einen tiefgreifenden Wandel erliebt, angetrieben durch technologische Fortschritte, Globalisierung und den Druck, effizientere und zugänglichere Dienstleistungen zu bieten. Neue Preismodelle wie die projektbasierte Preisgestaltung fördern Transparenz und Planbarkeit, während Technologien wie Legal Tech und Automatisierung die Effizienz steigern und Kosten senken.

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