Beschuldigter im Strafverfahren

01/01/2025
Strafrecht
Erfahren Sie, wie Sie sich bei einer Beschuldigtenvernehmung richtig verhalten, Ihre Rechte schützen und Fehler vermeiden können – praxisnah erklärt.

Beschuldigt in einem Strafverfahren zu sein, bedeutet für nahezu alle Menschen eine der größten Belastungen ihres Lebens. Die Unsicherheit, die Sorge um den eigenen Ruf und die Konsequenzen für die Zukunft lösen oft Angst und Verzweiflung aus. Doch genau in dieser schwierigen Situation ist es entscheidend, einen klaren Kopf zu bewahren und einige zentrale Aspekte zu beachten.

Ganz gleich, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist oder nicht – wer von einer Beschuldigtenvernehmung betroffen ist, sollte wissen, wie er oder sie sich optimal verhält. Denn das Verhalten in dieser frühen Phase des Strafverfahrens kann erheblichen Einfluss auf den weiteren Verlauf nehmen. Ziel dieses Beitrags ist es, Ihnen die wichtigsten Informationen und Tipps an die Hand zu geben, damit Sie Ihre Rechte wahren und keine unnötigen Fehler machen.

Wie kommt es überhaupt zur Einleitung eines Strafverfahrens?

Ein Strafverfahren in Österreich beginnt in der Regel mit einer Strafanzeige, die entweder von einem Opfer, einem Zeugen oder einer Behörde erstattet wird.

  • Opfer: Eine Person, die durch die mutmaßliche Straftat einen Schaden erlitten hat.
  • Zeuge: Eine Person, die relevante Informationen zum Tathergang oder zu den Beteiligten geben kann.

Nach Eingang der Anzeige übernimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen, um den Sachverhalt zu klären und festzustellen, ob ein strafbares Verhalten vorliegt. In dieser Phase können auch Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen oder die Befragung von Zeugen durchgeführt werden.

Wenn die Staatsanwaltschaft genügend Beweise gesammelt hat, entscheidet sie, ob sie Anklage erhebt. Falls sie keine Anklage erhebt, wird das Verfahren eingestellt. Falls sie Anklage erhebt, folgt das gerichtliche Hauptverfahren.

Gerade in dieser Ermittlungsphase ist es wichtig, die Staatsanwaltschaft – je nach Verteidigungsstrategie – davon zu überzeugen, dass das Verfahren möglichst rasch beendet wird. Dies kann geschehen, indem man die Vorwürfe entkräftet (z. B. mit eigenen Beweisanträgen) oder, falls man die Vorwürfe zugibt, darauf hinarbeitet, das Strafverfahren in möglichst gemilderter Form abzuschließen (z. B. im Rahmen einer Diversion).

Ablauf einer Beschuldigtenvernehmung

Die Beschuldigtenvernehmung folgt einem klaren rechtlichen Ablauf, der sicherstellt, dass Ihre Rechte gewahrt bleiben. Dieser strukturierte Ablauf dient dazu, sowohl Ihre Rechte als auch den ordnungsgemäßen Verlauf des Verfahrens zu gewährleisten. Eine gute Vorbereitung und das Bewusstsein über diese Schritte helfen Ihnen, diese Situation der Vernehmung gut zu bewältigen.

Der Ablauf gliedert sich wie folgt:

  1. Verlesung der Rechte: Zu Beginn der Vernehmung müssen Ihnen Ihre Rechte als Beschuldigter erklärt werden. Dazu gehören unter anderem das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf Aussageverweigerung und das Recht, Beweisanträge zu stellen.
  2. Bekanntgabe der Vorwürfe: Anschließend werden Ihnen die gegen Sie erhobenen Vorwürfe mitgeteilt. Dies ist ein zentraler Punkt, da Sie nur auf Grundlage dieser Informationen Ihre Verteidigung vorbereiten können.
  3. Entscheidung: Aussage oder Aussageverweigerung: Nachdem Sie über Ihre Rechte und die Vorwürfe informiert wurden, haben Sie das Recht, sich zu den Vorwürfen zu äußern oder die Aussage zu verweigern. Diese Entscheidung sollten Sie sorgfältig abwägen, idealerweise nach Rücksprache mit einem Anwalt.
  4. Die entscheidenden Schritte: Je nachdem, wie Sie sich entscheiden, folgen weitere Schritte. Wenn Sie eine Aussage machen, sollten Sie klar und wahrheitsgemäß bleiben, um Widersprüche zu vermeiden. Wenn Sie die Aussage verweigern, müssen Sie keine weiteren Angaben machen – dies darf nicht zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden.

Wichtige Tipps für die Beschuldigtenvernehmung

Gerade beim Erstkontakt mit den Ermittlungsbehörden legt man die entscheidenden Weichen für das weitere Verfahren und letztlich für das Ergebnis des Strafverfahrens. Daher gelten speziell für diese Phase des Strafverfahrens folgende Tipps:

1. Recht auf Aussageverweigerung nutzen

Als Beschuldigter haben Sie das Recht, die Aussage zu verweigern. Dies ist besonders wichtig, um sich nicht unabsichtlich selbst zu belasten. Oft weiß man in dieser Phase des Verfahrens nur, was der Vorwurf ist, aber nicht, worauf er sich genau gründet. Ohne ein vollständiges Bild zu den Vorwürfen ist es schwierig, eine fundierte Aussage zu machen. Indem Sie das Aussageverweigerungsrecht nutzen, geben Sie sich Zeit, um die Vorwürfe und deren Grundlagen genau zu verstehen – und sich informiert vorzubereiten. Beispielsweise kann ein Beschuldigter, dem Betrug vorgeworfen wird, erst nach Akteneinsicht erkennen, warum behauptet wird, dass das Opfer getäuscht wurde – und erst daraufhin kann man Ausführungen treffen, um seine Unschuld zu beweisen.

2. Keine spontanen Aussagen machen

Vermeiden Sie unüberlegte Aussagen, denn diese können später gegen Sie verwendet werden. Beispielsweise kann eine spontane Aussage in der Vernehmung, dass Sie “nie vor Ort waren”, durch die Aussage eines glaubwürdigen Zeugen oder die Auswertung Ihrer Handy-Daten widerlegt werden. Das könnte Ihre Glaubwürdigkeit insgesamt infrage stellen. Bereiten Sie sich ausreichend vor, indem Sie Ihre Wahrnehmungen zu den Vorwürfen gedanklich durchgehen. Wenn Sie nicht sicher sind, welche Details wichtig sind, besprechen Sie diese mit Ihrem Anwalt.

3. Akteneinsicht beantragen

Als Beschuldigter haben Sie das Recht auf Akteneinsicht (§§ 51-53 StPO). Ihr Anwalt kann Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen, um zu sehen, welche Beweise und Aussagen bisher gesammelt wurden. Zu den wichtigsten Informationen gehören die Aussagen der im Akt genannten Personen sowie die bisherigen Feststellungen der Polizei. Beispielsweise könnte in der Akte stehen, ob ein Zeuge Sie bei einer Straftat gesehen hat – oder ob es allein Aussage gegen Aussage steht. Es könnte sich ergeben, dass die Polizei bisher wichtige Aspekte übersehen hat oder Personen nicht befragt hat, die die Situation gesehen haben. Solche Informationen sind essenziell, um eine fundierte Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

4. Rechtsanwalt konsultieren

Ein Strafverteidiger ist Ihre wichtigste Unterstützung in einem Strafverfahren. Er wahrt Ihre Interessen, schützt Ihre Rechte und berät Sie über das beste Vorgehen. Ein erfahrener Anwalt kann mit Ihnen Strategien durchgehen, Beweisanträge entwickeln  (§ 55 StPO) und eine zweckdienliche Verteidigung aufbauen. Ziel ist es, das Strafverfahren möglichst schonend und effektiv abzuschließen. Beispiel: Ein Beschuldigter wegen fahrlässiger Körperverletzung kann – wenn die Vorwürfe tatsächlich zutreffen – durch einen Anwalt möglicherweise erreichen, dass das Verfahren im Diversionsweg erledigt wird, ohne dass ein Eintrag ins Strafregister erfolgt. Er kann die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragen (Art. 108 StPO) oder Rechtsmittel erheben, (zum Beispiel Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO oder Beschwerde nach § 87 StPO).

Rechtliche Hintergründe

Es ist wichtig zu verstehen, warum man zu diesen Tipps kommt.

Erstens gilt bis zum Beweis der Schuld die sogenannte Unschuldsvermutung. Dieser zentrale Grundsatz stellt sicher, dass niemand ohne ausreichende Beweise verurteilt wird. Der Staat hat die Aufgabe, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens den Sachverhalt aufzuklären und zu entscheiden, ob hinreichende Beweise für eine Anklage vorliegen oder ob das Verfahren eingestellt werden muss. Strategisch muss überlegt werden, ob der Staat hinreichend Material hat, um Anklage zu erheben – oder ob er hinreichend Material hat, das Verfahren einzustellen.

Der zweite wichtige Grundsatz ist das rechtliche Gehör  (§ 7 Abs 2, § 49 Abs 1 Z 4 StPO). Das bedeutet: Jeder Beschuldigte hat das Recht, seine Sicht der Dinge darzustellen und aktiv am Verfahren mitzuwirken. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, anstelle einer mündlichen Vernehmung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben und darauf zu verweisen. Dies ist besonders in Situationen wichtig, in denen eine exakte Darstellung der eigenen Position entscheidend ist und man sich ausreichend Zeit für die Formulierung nehmen möchte. Hier wird anhand des Aktenmaterials eine professionelle Argumentation entworfen, die den Vorteil hat, dass sie nicht in der psychischen Ausnahmesituation einer polizeilichen Vernehmung (bei der man z. B. Details vergisst oder unabsichtlich auslässt) vorgelegt wird.

Fazit

Dr. Lukas_Staffler
RA Dr. Lukas_Staffler, LL.M.

Eine Beschuldigtenvernehmung ist für die meisten Menschen eine vollkommen neue und unglaublich belastende Erfahrung. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Polizei solche Vernehmungen jeden Tag durchführt, während man als Betroffener oft zum ersten Mal in einer solchen Situation ist. Deshalb sollte man nicht glauben, man sei schlauer als alle anderen. Stattdessen ist es essenziell, die Situation realistisch einzuschätzen, zu wissen, was auf einen zukommt, und vorbereitet zu sein. Antizipation und Kenntnis der Abläufe helfen dabei, Fehler zu vermeiden und die eigenen Rechte zu schützen.

Weitere Blogartikel

Sie benötigen rechtliche Unterstützung?

Gerne stehe ich Ihnen bei rechtlichen Fragestellungen zur Seite. Bitte kontaktieren Sie mich telefonisch oder via Kontaktformular um ein kostenloses Erstgespräch zu vereinbaren. 

Dr. LUKAS STAFFLER, LL.M.

@lukasstaffler

Kontaktformular